„Der respektiert dich nicht“ – ein beliebter Spruch, der manchmal
als Erklärung für das Verhalten eines Hundes herangezogen wird. Hunde müssen
Ihre Menschen respektieren! – hierunter wird Gehorsam, Loyalität und ein „gutes
Funktionieren“ verstanden.
Aber: Um Respekt zu bezeugen, braucht man „Achtung vor einer
Autorität“. Diese Achtung wird leider oft über Druck und Härte erzwungen und bei
einigen Hunden können hierdurch „Nebeneffekte“ und Auswirkungen beobachtet
werden.
„Respekt“ ist eine menschliche Definition, die neben Achtung
und Anerkennung laut Duden leider auch die Bedeutung Scheue und Angst durch Unterlegenheit
beinhalten kann.
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Scheue und Angst durch
Unterlegenheit die Sichtweise eines seinen Halter so richtig „respektierenden“
Hundes widerspiegeln, wenn der Ausdruck des Hundes betrachtet wird.
Gegenseitige Wertschätzung, Vertrauen, Kooperation und
Orientierung am Menschen haben doch viel mehr Bedeutung. Ein kooperierender
Hund, der seinem Menschen vertraut und sich auf ihn verlassen kann, zeigt fast
alle Dinge, die der Begriff „Respekt“ beinhaltet, freiwillig und vor allem gerne.
Respekt muss bei einer freundlichen und verlässlichen Beziehung gar nicht
eingefordert oder erwartet werden, er ist automatisch vorhanden und beruht auf
Gegenseitigkeit. Das hat mit Futtermanipulation, „hirnlosen Roboterhunden“ oder
Abhängigkeit wenig zu tun. Diese Form der Kooperation funktioniert sogar auf
Distanz – ein Hund, der gerne mit seinem Menschen zusammen ist, kann viele
Freiheiten haben, denn er wird verlässlich reagieren, weil er sich gerne an
seinem Menschen orientiert.
Hunde sind immer
von uns abhängig, da ist es doch nur fair, wenn auch wir auf den Hund Rücksicht
nehmen. Wir Menschen sitzen doch immer „am längeren Hebel“: Wir bestimmen, wann
Hunde sich lösen dürfen, wie viel sie laufen dürfen, wann, was und wie viel sie
fressen dürfen, wo sie leben, wo sie schlafen, was gespielt und ob gespielt
wird, was sie lernen dürfen, wie sie es lernen dürfen / müssen, mit wem sie
Kontakt haben dürfen, wir haben so viel „Macht“ über die Hunde - und da glaube
noch irgendjemand, ein Hund müsse Respekt bezeugen?
Warum ich das schreibe?
Ich stelle immer wieder fest, dass Menschen, die besonderen
Wert darauf legen, dass ihre Hunde sie „respektieren“, oft unglaublich grob mit
ihren Hunden umgehen. Wollen wir einmal annehmen, dass zirka 50 Prozent der
Aktionen unbewusst zu grob ausgeführt werden (und diese Annahme ist schon recht
„freundlich“), so bleiben doch 50 Prozent bewusst hart ausgeführte Leinenrucke,
Beinstüber, Schubser, Kneifer und weiteres. Dazu kommt noch eine entsprechende Haltung
dem Hund gegenüber.
Ich bin es mittlerweile fast ein bisschen leid, über
Trainingsmethoden und -strömungen zu schreiben, zugleich ist es mir aber auch sehr
wichtig, dass Sie nachvollziehen können, was für Gefahren grobe
Trainingsmethoden mit sich bringen. In meinem Buch habe ich diesem Thema sogar
ein ganzes Unterkapitel mit ausführlichen Erklärungen gewidmet.
Worauf ich hinaus will: ich kann so etwas immer wieder in
der Arbeit beobachten. Für eine(n) Hundetrainer (in) oder Verhaltensberater
(in) - da stimmen mir die Kolleginnen und Kollegen sicherlich zu - ist
insbesondere das Sehen und Beobachten, sowohl des „Patienten“ in seinem
Verhalten, als auch das Verhalten des Menschen und des Umgangs des Menschen mit
dem Hund und umgekehrt eine wichtige Voraussetzung für die Trainings- oder Therapiestunden.
Die Emotionen des Tieres sind hierbei von besonderer Wichtigkeit, denn ohne
Verbesserung oder Veränderung des emotionalen Zustandes kann ein effektives
Training nicht stattfinden. Die Emotionslage zu verbessern ist die Grundlage
für jede Verhaltensmodifikation und –therapie.
Hierbei fällt mir gerade bei „Problemhunden“ immer wieder
auf, dass diese im Grunde fast immer auch recht grob angepackt werden oder
wurden. Jetzt stellt sich zwar die alte Frage, was zuerst da war, die Henne
oder das Ei, aber wir bekommen sozusagen Rückendeckung aus der Wissenschaft.
Hunde, die grob behandelt werden, neigen signifikant häufiger zu Aggressionen,
sei es gegenüber Artgenossen, sei es gegenüber Menschen. Hier finden Sie eine
der zahlreichen aktuelleren Studien, die dieses bestätigen.
Diese Hunde erscheinen in der Nähe der Besitzer oft ganz
„artig“ bis hin zu „hilflos“, die Signale führen sie gut aus und sind oft sehr
folgsam. Der Hund „spurt“. Die Folgsamkeit dauert an, solange die „Respektsperson“
in der Nähe ist.
Viele dieser Hunde zeigen in der Nähe der Besitzer feine Anzeichen
bis hin zu ausgeprägten Formen einer erlernten Hilflosigkeit (wer genauer
nachlesen möchte, kann dies hier tun). Dies bedeutet, dass die Hunde ihr
Verhaltensspektrum einengen und verkleinern und unangenehme oder beängstigende
Zustände, auch wenn sie es gar nicht müssten, ertragen und erleiden, ohne aktiv
etwas dagegen zu tun. Sie scheinen sogar oft besonders „artig“. Es zeigt sich
hier eine körperliche Auswirkung; Hunde mit erlernter Hilflosigkeit haben u.a. einen
Mangel an Noradrenalin (ein bestimmter Botenstoff im Gehirn, u. A. für
Bewegungen zuständig). Auch bei „milden“ Formen liegt, trotz des oft nur subtil
erkennbaren Verhaltens, bereits eine körperliche Veränderung vor, die
Reservoire sind erschöpft. Es ist also „nicht so ohne“, wie oft angenommen
wird.
Diese Hunde sind oft in jüngerem Alter sehr konfliktbeladen,
paradoxerweise klammern sie sich manchmal an die jeweilige Person, sie zeigen
viele Stressanzeichen und sind unsicher bis hin zu scheinbar phlegmatischem
Verhalten. Die geforderten Signale werden gut ausgeführt, aber funktionieren oft
nur an straffer Leine und mit Ruck und Druck. Das Wortsignal selbst wird gar
nicht wahrgenommen, denn der Hund durfte aufgrund von Trainingsfehlern nie
lernen, dass das gesprochene Signal das gewünschte Verhalten auslösen soll.
Leider setzen Menschen oft ihren ganzen Körper ein, um zu bedrängen und bedrohen;
die Bedrohung kommt jedoch meist bevor der
Hund überhaupt eine Chance auf die Ausführung einer Verhaltensweise auf Signal
bekommt. Die Bedrohung selbst ist zum Signal geworden. Ganz abgesehen davon,
dass so ein Training anstrengend für die Menschen ist (als Signal muss geruckt
und gerempelt werden), so ist es äußerst ungeschickt und für den Lernerfolg des
Hundes fatal – es ergibt sich ein Teufelskreis aus immer mehr Bedrohung und
immer weniger Lernerfolg von Seiten des Hundes. Wenn man weiß, wie Hunde
lernen, braucht man keine Körperkraft.
Bei der erlernten Hilflosigkeit kann es im Verlauf zu einer introvertierten,
passiven Variante kommen. Diese Hunde scheinen sehr „artig“, führig und
folgsam, doch die Hilflosigkeit ist meist gut zu erkennen. Der stets empfundene
Kontrollverlust manifestiert sich hier in emotionalen und sozialen Defiziten,
diese Hunde haben dichtgemacht und reagieren einfach gar nicht mehr. Bei diesen
bemitleidenswerten Hunden drängt sich mir dann immer der Begriff „Roboterhund“
oder „Reiz-Reaktions-Maschine“ auf, auch wenn er gerne an anderer Stelle als
Beleidigung für gut trainierte Hunde benutzt wird.
Die erlernte Hilflosigkeit wird manchmal als Argument für
Training über Lob und Belohnung belächelt („der Forscher hat Stromschläge
benutzt, aber so ein bisschen Grenzen setzen, das kann ja gar nicht zu
erlernter Hilflosigkeit führen“ und „da gibt es doch eine Studie, in welcher
Stromschläge stressärmer waren als negative Strafe“ – gelesen wurde diese
Arbeit aber scheinbar nie…) und es wird unterstellt, dass erlernte
Hilflosigkeit in der Realität nicht vorkommt. Doch, leider gibt es diese Fälle.
Ich kann sie immer wieder beobachten, in den unterschiedlichsten Formen; weniger
als Trainerin in der Hundeschule, sondern meist als Tierärztin bei Patienten in
der Verhaltenspraxis.
Noch ein anderes Problem mit „Respekt“ kann manchmal
entstehen:
Die Grobheiten gegenüber Hunden werden meist in der
Öffentlichkeit angewandt, denn dort soll der Hund ja funktionieren und seinen
Besitzer sichtbar respektieren. Leider aber kommt es parallel zum „Training“
immer auch zu einer Assoziation mit den vorhandenen Umgebungsreizen. Immer,
wenn andere Hunde zugegen sind, muss der vielleicht stark abgelenkte, meist
junge Hund grob zur Raison gebracht werden, was zu einer Verknüpfung der in der
Situation vorhandenen anderen Reize führt. Die Anwesenheit von Hunden bedeutet Schmerzen
und Frustration – die vorherrschenden Emotionen werden auf alle in der
Situation vorhandenen Faktoren erweitert. Deshalb ergibt sich oft eine
Aggression gegen Artgenossen und in manchen Fällen leider auch eine Aggression
gegenüber Menschen.
Das Verhalten gegenüber Artgenossen ist aber von ein
bisschen „das machen Hunde halt so untereinander“ weit entfernt und kann auch
mit „ist halt dominant“ nicht mehr beschönigt werden (diese Äußerung ist zudem
auch falsch). Manche Hunde verfallen ohne jegliches Drohverhalten oder ohne das
Einhalten von Eskalationsstufen in enthemmtes Beschädigungsbeißen, wenn sie an
den Artgenossen herankommen. Es ist kein normales Hundeverhalten mehr.
Ich hoffe, die Zusammenhänge sind erkennbar.
Zum Schluss möchte ich noch etwas Persönliches loswerden:
Ich finde diesen ewigen, teils sehr persönlich und abwertend
abgehaltenen Disput von Vertretern unterschiedlichster Trainingsphilosophien in
den sozialen Medien ganz schrecklich.
Trainerkolleginnen und -kollegen, wir haben doch alle einen
Job, in welchen wir mit fühlenden Lebewesen und vor allem mit den dazugehörigen
Menschen arbeiten, es sollte doch immer möglich sein, hier die „minimalinvasivste“
Methode zu finden. Muss es denn die Hauruck-Variante sein, bei der man die
Gefühlslage des Hundes, die für das Gelingen einer Verhaltensveränderung
unbedingt nötig ist, nicht beeinflusst oder gar zum Schlechten hin verändert
und Probleme nur verdeckt? Und dies auch noch ganz bewusst, unter Inkaufnahme möglicher
Folgen für Hund und Halter? Sind Trainer nicht für das langfristige Gelingen
und das gezielte sinnvolle Verhindern stärkerer Probleme verantwortlich? Muss
nicht auch die Sicherheit Dritter gewährleistet sein? Sollte beim Training mit
Hunden nicht auch ethischen Grundsätzen nachgekommen werden? Sollten nicht
gerade die Hunde, die „vor der Einschläferung bewahrt werden müssen“, besonders
verantwortungsvoll, vorausschauend und schonend trainiert werden, um die
Probleme nicht noch zu verschlimmern? Ich finde sehr wohl.
Unsere Verpflichtungen sollten wir alle wahrnehmen, ohne uns
gegenseitig die Köpfe einzuhauen oder uns übereinander lustig zu machen. Damit
meine ich auch den Disput unter Trainern, die „modern und nach aktuellem Stand“
arbeiten, selbst hier, wo doch alle das gleiche Ziel haben.
Oder?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen