Ist der Hund „nur“ ungezogen und untrainiert und verweigert
deshalb ein Signal auszuführen, oder kann hier mehr dahinterstecken?
Reagiert ein Hund immer aufgrund mangelhafter Sozialisierung
und „Erziehungsfehlern“ aggressiv auf Artgenossen? Will Ihr Hund Sie nur mal
wieder „provozieren“? Setzen Sie sich nicht richtig „durch“?
Was könnte das Verhalten eines Hundes sonst noch so
beeinflussen?
Ich möchte Ihnen heute, im ersten Teil der Artikelserie, einige
körperliche Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten nennen und Hinweise geben,
wie man sie erkennen kann.
In einem meiner letzten Postings habe ich bereits die
Scheinträchtigkeit als körperliche Ursache für auffälliges Verhalten von
Hündinnen beschrieben. Es gibt aber noch weitere Erkrankungen, die leichte bis
sehr starke Verhaltensveränderungen beim Tier nach sich ziehen können.
Fast alle körperlichen Erkrankungen können Auswirkungen auf
das Verhalten eines Hundes haben.
Ein wichtiges Kriterium vorweg: sehr plötzlich auftretende
Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere auch aggressives Verhalten bei einem
vormals nicht auffälligen Hund haben meist körperliche Ursachen!
Verhaltensprobleme ohne körperliche Ursachen haben oft einen
schleichenden Verlauf, die Probleme
entwickeln sich langsam über einen gewissen Zeitraum hinweg – hier ist es
wichtig, sich einmal in Ruhe hinzusetzen und die letzten Monate Revue passieren
zu lassen (das geht besonders gut, wenn man sich auffällige Momente beim
Brainstorming aufschreibt). Oft fällt dann auf, dass erste Anzeichen schon weit
früher aufgetreten sind und es im Laufe der Zeit zu einer Verstärkung kam. Gerade
bei aggressivem Verhalten finden meist ungewollt sehr starke Lernprozesse
statt.
Eine Ausnahme im Hinblick auf einen schleichenden Verlauf
kann extrem ängstliches Verhalten bilden, es ist oft von Anbeginn an in starker
Ausprägung vorhanden und verschlimmert sich oft im Laufe des Zusammenlebens.
Extreme Ängstlichkeit
ist meines Erachtens ebenfalls als körperliche Erkrankung zu werten, hier
sollte nicht gezögert werden, einem ängstlichen Hund eine entsprechende
Behandlung zukommen zu lassen, denn ängstliche Hunde leiden sehr stark. Angst
macht keinen Spaß und kann durch die körperlichen Auswirkungen (Stresshormone,
Anspannung, Muskeltonus, Hypersensitivität, Reizüberflutung) das Leben zur
Hölle machen. Es sollte auf jeden Fall therapiert, trainiert und geholfen
werden, denn in der Regel wachsen sich Angstprobleme nicht aus, sie werden
schlimmer.
Ich habe einige wenige ängstliche „Patienten“, die nach
einer längeren Odyssee erst durch eine unterstützende Medikation in einen
lernfähigen Zustand gebracht werden konnten. Halt – dies soll bitte nicht heißen,
dass leichtfertig Medikamente eingesetzt werden sollten; hierfür sind auch
diverse Voruntersuchungen und auch unbedingt ein Gesundheitscheck notwendig,
aber wenn das Gelingen einer Verhaltenstherapie oder eines speziellen Trainings
vor lauter Blockaden nicht möglich ist, so sollte ein Zustand geschaffen
werden, der dem Tier das Lernen für das weitere Leben ermöglicht. Medikamente
können nach oder während einer erfolgreichen Therapie auch wieder abgesetzt
werden. Sie sind niemals Standard, aber manchmal nötig, gerade wenn der Leidensdruck des Tieres tierschutzrelevant wird.
Bei jungen Hunden, die plötzlich anfallsartig aggressiv
reagieren, diese Zeiten sich jedoch mit gedämpften Phasen und Desorientiertheit
abwechseln, sollten die Leberwerte untersucht werden. Beim Beobachten des
Hundes sollten Sie insbesondere auf die Zeitspannen achten, die seit der
letzten Mahlzeit vergangen sind, denn hier könnte eine angeborene Fehlbildung
der Leber bzw. der Blutgefäße zur
Leber vorliegen. Bei dieser Erkrankung führen die Blutgefäße aus dem
Verdauungstrakt an der Leber (die die Entgiftung vornehmen soll) vorbei, so
dass der aus der Nahrung stammende und eigentlich in der Leber unschädlich zu
machende Ammoniak ungehindert im Kreislauf zirkulieren kann. Ammoniak ist ein
sehr starkes Zellgift, welches auch extreme Auswirkungen auf das Gehirn und
somit auf das Verhalten eines Hundes haben kann.
Schmerzen können
das Verhalten eines Hundes ebenfalls stark beeinflussen. Bei den meisten Hunden
liegen Probleme im Bewegungsapparat vor. Es sind i.d.R. ältere Hunde, die an
Arthrose oder Ähnlichem leiden, betroffen.
Hunde, die Schmerzen haben, können neben Bewegungsunlust
auch entsprechende Symptome der betroffenen Organsysteme zeigen (z.B. harte
Bauchregion und hochgezogener Rücken bei Schmerzen im Magen-Darm-Bereich). Im
Verhalten können starke Berührungsempfindlichkeit bis hin zu Abwehrbeißen oder
–schnappen beobachtet werden. Manche Hunde mit Schmerzen im Bewegungsapparat
reagieren aggressiv oder abwehrend auf Hundekontakte, da sie aufgrund der
Schmerzen eine Interaktion mit dem Artgenossen vermeiden wollen.
Meine alte Hündin hatte seinerzeit bestimmte Signale nicht
mehr einhalten können (sie konnte aufgrund von Arthrose z. B. nicht lange
sitzen und hat sich dann abgelegt) – sie war nicht ungehorsam, sondern wegen
der Schmerzen körperlich nicht mehr in der Lage, bestimmte Verhaltensweisen
länger auszuführen. Ich habe natürlich darauf Rücksicht genommen.
Hundekontakten gegenüber war sie irgendwann auch nicht mehr so aufgeschlossen,
denn jüngere Hunde wollen meist spielen und beim Spielen tat es aus Hundesicht
dann immer besonders weh.
Auch Katzen können Verhaltensveränderungen aufgrund von
Schmerzen entwickeln, sie gestalten sich aber anders als bei Hunden
(Immobilität, Zurückziehen, Fressen verweigern etc. – Katzen verkriechen sich oft).
Hunde, deren Sinnesorgane
nachlassen, die nicht oder nur wenig hören oder sehen zeigen oft eine
erhöhte Schreckhaftigkeit, insbesondere bei plötzlichen Aktionen und Berührungen.
Manchmal kommt es auch hier zu Abwehrreaktionen. Bewegungen sind oft sehr
vorsichtig, bei akuter Blindheit (die viele Ursachen haben kann) stoßen die
Hunde gegen Gegenstände oder Möbel und zeigen Orientierungsreaktionen nach
Gehörtem, aber ohne direkt hinzusehen.
Ältere Hunde entwickeln manchmal eine Art
„Alzheimererkrankung“, die kognitive Dysfunktion. Hier kommt es durch Alterserscheinungen im Gehirn zu oft
tiefgreifenden Veränderungen; manche Hunde werden unsauber, manche erkennen
Familienmitglieder nicht mehr, manche Hunde können nicht mehr alleine bleiben,
wieder andere vergessen Routineabläufe (sie wollen z.B., kurz nachdem sie eine
Mahlzeit hatten, wieder fressen). Es gibt noch zahlreiche weitere Anzeichen.
Wenn Ihr Hund älter ist und „schrulliges“ Verhalten zeigt bzw. Dinge nicht mehr
kann, die bislang problemlos möglich waren, sollten Sie eventuell an die
kognitive Dysfunktion denken. Die Erkrankung ist insbesondere bei frühzeitigem
Erkennen gut behandelbar. Sie kommt übrigens auch sehr häufig bei Katzen vor!
Hunde (und Katzen), die den Kopf gegen Wände oder
Gegenstände pressen oder drücken, sollten bitte unverzüglich dem Tierarzt vorgestellt werden. Dieses Verhalten
deutet auf eine tiefgreifende und meist akute Problematik hin! Bitte schnell
untersuchen lassen!
Frisst der Hund nicht mehr, ist lethargisch, schlecht zu
motivieren und zieht sich zurück, so könnten hier Depressionen (ja, gibt es auch bei Tieren!), ein posttraumatisches
Stresssyndrom (auch dies ist für Tiere dokumentiert), Trauer oder organische
Erkrankungen vorliegen. Oft beginnen Infektionen
mit Appetitlosigkeit und Lethargie und auch ein fiebernder Hund verhält sich
entsprechend. Auch hier sollte eine Fachperson draufsehen.
Rüden werden oft unruhig, fressen nicht oder nur sehr wenig,
winseln oder büchsen aus, wenn eine läufige Hündin in der Nähe wohnt. Testosteron (als männliches
Geschlechtshormon, es ist aber auch bei Hündinnen vorhanden) kann vielerlei
weitere Verhaltensveränderungen auslösen. Intakte Rüden kommen manchmal nach dem
Erreichen der Geschlechtsreife nicht mehr mit anderen, meist ähnlich großen
Rüden zurecht. Einige Hunde zeigen Aggressionen gegenüber den Artgenossen, denn
aus Hundesicht sind andere Artgenossen dann Fortpflanzungskonkurrenten.
Östrogen und
Progesteron (als „Trächtigkeitshormon“) können bei Hündinnen während oder
nach der Läufigkeit manchmal ebenfalls Aggressionen gegenüber (meist
weiblichen) Hunden auslösen.
Wo wir gerade bei den Hormonen sind: auch ein veränderter Schilddrüsenstoffwechsel kann Verhaltensveränderungen
erzeugen und sollte hier erwähnt werden. Nur kurz: die Schilddrüse und ihre
Hormone sind bei zahlreichen Stoffwechselprozessen im Körper direkt und
indirekt beteiligt. Die Schilddrüsenhormone wirken wie ein „Motor“, wenn es
hier zu Veränderungen kommt, kann dies natürlich (mitunter starke) Auswirkungen
auf das Verhalten haben.
Sie sehen, körperliche Erkrankungen können das
Hundeverhalten in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Im zweiten Teil des Artikels
werde ich Ihnen noch ein paar weitere Ursachen beschreiben – Teil 2 folgt in einiger Zeit.
Im Zweifelsfall sollten Sie also bitte eine Tierärztin oder
einen Tierarzt hinzuziehen.
Bis zum nächsten Blogposting wünsche ich Ihnen und Ihrem
Vierbeiner einen schönen und vor allem gesunden August und schöne Ferien!
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