Einfach nur ignorieren? Aber dann macht mein Hund ja, was er
will…
Häufig stolpern wir im Training mit unseren Hunden über
Begriffsdefinitionen, die falsch interpretiert werden können. Ein solches
Problem findet sich im Zusammenhang mit dem Thema „Ignorieren von Verhalten“.
Ich möchte Ihnen heute genauer analysieren, was eigentlich damit gemeint
ist und ob Ignorieren „Nebenwirkungen“ haben kann.
Wie soll einem Hund vermittelt werden, etwas nicht zu tun, gleichzeitig möchten Sie
aber Signale und Verhaltensweisen Ihres Hundes über Lob und Belohnung aufbauen
und erhalten? Wie kann ein Verhalten verringert werden, ohne den Hund zu
erschrecken oder Verhalten zu hemmen? (Über die negativen Auswirkungen von additiver Strafe und Verhaltenshemmung habe ich bereits geschrieben) – das ist
doch nicht möglich, oder?
Hier kommt nun der Begriff „Ignorieren von bestimmten Verhaltensweisen“ ins Spiel.
„Ignorieren“ bedeutet nicht, Dinge einfach laufen zu lassen
und gar nichts zu tun. Dieser Punkt ist sehr wichtig, „Ignorieren“ ist nicht
gleichbedeutend mit einem „der Hund darf tun was er will“, obwohl es sich im
ersten Moment fast so anhört. Hier müssen wir etwas genauer nachhaken.
Ignorieren von Verhalten bedeutet „Nicht-verstärken“ von Verhaltensweisen.
Mit Ignorieren eines Verhaltens ist also gemeint, dass eine Verstärkung eines unerwünschten
Verhaltens durch menschliche Aufmerksamkeit oder Aktionen verhindert wird.
Ganz nüchtern betrachtet gehört Ignorieren in die Kategorie
„negative Strafe“ (etwas Angenehmes wird entfernt), über einige Zeit wiederholt
angewendet könnte man von „Löschung“ (Extinktion) sprechen.
Alle nicht
selbstbelohnenden Verhaltensweisen werden durch eine daraus entstehende Konsequenz
bzw. eine Reaktion der Umwelt verstärkt, selbst wenn diese Konsequenz oder
Folge des Verhaltens eine unangenehme
ist, wie z. B. schimpfen, schubsen, bedrohen oder anschreien.
Hier könnten ein kurzfristiges Nichtbeachten und gleichzeitig eine starke Förderung sinnvoller Alternativen gut helfen. Der Hauptaspekt des Trainings sollte aber nicht auf dem Ignorieren liegen, sondern auf der frühzeitigen und vorausschauend geplanten Förderung der Alternativen. Warum?
Ignorieren, negative Strafe oder auch Löschung funktionieren
natürlich, wenn sie korrekt angewendet werden. Sie können aber zu großer Frustration und zu Stress bei Hunden führen, insbesondere bei Aktionen
mit den Menschen, mit welchen der Hund eine starke Bindung hat.
Das ist, als ob man sich als Jugendlicher bei einem Schwarm
einen „Hardcore“- Korb holt oder sich freut, einen Menschen nach langer Zeit
wieder zu sehen, dieser aber beachtet einen überhaupt nicht. Ziemlich
unangenehm, frustrierend und verunsichernd…(ein bisschen Vermenschlichung muss
auch mal sein! ;))
Deshalb ist es ungemein wichtig, dass ganz gezielt erwünschte Verhaltensweisen, die man sehen möchte, gelobt, belohnt und somit (wahrscheinlich) verstärkt werden sollten. Im Idealfall sind die belohnten (und somit geförderten) Verhaltensweisen solche, die mit dem unerwünschten Verhalten nicht vereinbar sind.
Als Beispiel: ein Hund, der bei der Aufregung seine liebsten
Personen anspringt (es ist übrigens aus Hundesicht freundliches Normalverhalten
und nicht immer „Pöbelei“), kann dies nicht tun, wenn er in solchen Situationen
gelernt hat, dass ihm seine Menschen, wenn er zur Begrüßung sitzt oder
zumindest alle Viere auf dem Boden lässt, ganz besondere Aufmerksamkeit
schenken, ihn loben und im Anschluss durch eine freundliche Begrüßung belohnen,
statt das Hopsen zu verstärken. Die Begrüßung sollte so gestaltet werden, dass
der Hund nicht noch aufgeregter wird, z. B. in die Hocke gehen, kuscheln,
streicheln etc.
Das Hochspringen selbst wird somit nicht verstärkt, denn die erwünschte Verhaltensweise (das Nicht-springen) wird gefördert. Würde der Hund stattdessen hochspringen, sollte dieses Verhalten natürlich nicht verstärkt werden (wobei schimpfen, korrigieren, anschreien, wegschubsen etc. eine Verstärkung darstellen würden). Dem unerwünschten Verhalten sollte kurz keine Aufmerksamkeit geschenkt und Alternativen schnell eingesetzt werden.
Ein Dauerignorieren (d.h. länger als 15 Sekunden) würde
übrigens wenig helfen, es sollte unbedingt eine unvereinbare Alternative über
Lob und Belohnung aufgebaut werden, z. B. sitzen oder alle Viere auf dem Boden
lassen, insbesondere, wenn Personen sich annähern (diese Alternativen sind sehr
schön über Clickertraining aufzubauen, da das Timing oft besser ist).
Alternativen zum Anspringen können von Anfang an, bevor der Hund überhaupt erst hochspringt, leicht und gut trainiert werden, am besten
auch im Eingangsbereich üben, Hilfspersonen einspannen, die Türglocke ins
Training einbinden, schrittweise aufbauen.
Ein sehenswertes Beispiel für ein strukturiertes Training finden Sie in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=lC_OKgQFgzw
Ein sehenswertes Beispiel für ein strukturiertes Training finden Sie in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=lC_OKgQFgzw
Das „Nicht-verstärken“ bestimmter Verhaltensweisen geht für
mich immer mit einer Verstärkung geeigneten
erwünschten Verhaltens einher. Sonst lässt man den Hund „im Regen stehen“ und
hilft ihm nicht weiter. Besser ist es also, gleich von vornherein bei
unerwünschtem Verhalten eine sinnvolle Alternative dazu aufzubauen und diese
durch Aufmerksamkeit und Lob zu verstärken.
Nur halt, jetzt kommt das große Aber:
Kurzfristiges Nichtbeachten unerwünschter Verhaltensweisen
soll eine Verstärkung des Verhaltens verhindern und verhindert es meist, aber
jetzt muss genauer hingesehen werden.
Ignorieren oder besser Nichtverstärken von Verhaltensweisen
kann nur dann effektiv sein, wenn das gezeigte Verhalten nicht selbstbelohnend ist.
Bei selbstbelohnendem Verhalten stellt die Ausführung selbst die Belohnung dar und
Sie würden, wenn Sie ein solches Verhalten ignorieren, die Belohnung und
Verstärkung des Verhaltens durch die Möglichkeit der Ausübung geradezu fördern.
Als Beispiel möchte ich hier den Hund anführen, der Passanten am Gartenzaun verbellen kann. Ganz ohne jegliches Zutun würde ein Ignorieren dieses Verhaltens bei gleichzeitig vorhandenen Möglichkeiten, das Verhalten auszuführen, zu einer deutlichen Verstärkung führen. Warum? Der im Garten bellende Hund möchte den Passanten vertreiben. Wenn ein Hund bellt und der Passant seinen Weg weiter fortsetzt, so hat die Situation selbst das Verhalten verstärkt, denn aus Hundesicht wurde der Eindringling „vertrieben“, der Hund hatte mit seinem Verhalten Erfolg, die belohnende Komponente ist der vergrößerte Abstand zum Eindringling (dem Hund ist natürlich nicht klar, dass der Passant seinen Weg so oder so weiter fortsetzen würde, auch ohne Zutun des Hundes!).
Ähnliche Probleme ergeben sich mit Postboten oder jüngeren Hunden,
die z.B. die Möglichkeit haben, Schuhe oder Tischbeine anzunagen. Wenn Sie
dieses Verhalten ignorieren (also nicht hinsehen, nicht hinfassen und den Hund
nicht ansprechen, wenn er das Verhalten ausübt), so ist das Kauen am Schuh an
sich bereits belohnend und wird gefördert, wenn der Hund Zugang zu Schuhen hat,
kein anderes adäquates Kauobjekt vorliegt und nichts am Verhalten „Schuhe
kauen“ verändert werden würde.
Bei den beschriebenen Verhaltensweisen wird der Hund bei
bereits durch die Ausübung „belohnt“, da die Ausübung des Verhaltens einen
Erfolg für den Hund beinhaltet und verstärkt wird.
Selbstbelohnendes Verhalten kann nicht ignoriert werden,
hier sollten Managementmaßnahmen
ergriffen und gleichzeitig, wie immer bei einer Verhaltensmodifikation,
sinnvolle Alternativen und mit dem unerwünschten Verhalten nicht vereinbare
andere Verhaltensweisen gefördert werden.
Am Beispiel des Schuhe kauenden Hundes wissen Sie nun, dass
Kauen eine hochwertige Tätigkeit für den Hund darstellt. Sinnvoll wäre nun,
durch das Wegräumen von Schuhen dafür zu sorgen, dass Ihr Hund nicht daran
kommt und gleichzeitig, dass das Hundetier sein Kaubedürfnis an anderen,
sinnvolleren Objekten (Kauknochen, Futterspielzeuge, Kauspielzeuge) ausüben und
befriedigen kann. Unterstützend kann die Ausübung des erwünschten Verhaltens
(Hund kaut am Knochen) durch ruhiges Lob zusätzlich
gefördert werden.
Der am Gartenzaun bellende Hund muss etwas umfangreicher
trainiert werden, bei Territorialverhalten sollte gezielt mit speziellem
Training, sinnvollen Alternativen und Managementmaßnahmen gegengesteuert werden.
Wann hilft ein also kurzfristiges Ignorieren und wann nicht:
A)
Wenn Sie ein auf Sie bezogenes Verhalten, welches durch
Ihre Aufmerksamkeit (auch durch negative Aufmerksamkeit in Form von Schimpfen,
Wegschubsen, Anschreien) gefördert wird, verringern möchten, kann ein
Nichtbeachten bzw. Nichtverstärken durch kurzfristiges Ignorieren helfen, wichtiger ist
jedoch das rasche Umlenken des Verhaltens in erwünschte Verhaltensweisen
(sitzen, Sie ansehen etc.) – das Alternativverhalten sollte gezielt aufgebaut
und gefördert werden.
B)
Ein Hund kann sich nicht “NICHT-Verhalten“ und es ist
sehr schwierig, Hunden zu vermitteln, etwas nicht zu tun. Sorgen Sie von Anfang
an für vorausschauende, zu fördernde Alternativen.
C)
Verhaltensweisen, die selbstbelohnend sind, sollten
durch geeignete Managementmaßnahmen verhindert werden, sinnvolle Alternativen
zum unerwünschten Verhalten sollten im Gegenzug stark gefördert werden.
Ignorieren würde das Verhalten hier eher fördern.
Kurzfristiges Nicht-verstärken von Verhaltensweisen ist manchmal sinnvoll, aber nicht besonders "schön"
für den Hund - viel besser sind sinnvolle, in die Situation passende Alternativen, die vorausschauend
aufgebaut werden sollten.
Werden Sie kreativ, es gibt immer Auswege und jedes gut trainierte Signal kann ein unerwünschtes
Verhalten abbrechen!
aufgebaut werden sollten.
Werden Sie kreativ, es gibt immer Auswege und jedes gut trainierte Signal kann ein unerwünschtes
Verhalten abbrechen!
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