Es passiert leider immer mal wieder.
Hundebesitzer fragen, nachdem sie erfahren haben, was ich
beruflich mache, was ich von einigen speziellen „Trainern“ im Fernsehen und deren
Methoden halten würde und ob das nicht gut funktionieren würde, gerade bei
bestimmten Hunden. Sie sind beeindruckt, was sie im Fernsehen in manchen Sendungen sehen und leider,
leider sehen sich erschreckend viele Menschen gerade die falschen Sendungen an. Hier ist nichts toll und nichts realistisch oder gar alltagstauglich, denn die dort gezeigten
„Trainingsmethoden“ entbehren jeglicher ethischer und ethologischer Grundlage
und ignorieren die Forschungsergebnisse der letzten vierzig, fünfzig Jahre.
Mal ganz davon abgesehen, dass das Aufblinken der Warnungen
„Bitte versuchen Sie das nicht zu Hause“ beim Ansehen der Fernsehsendungen
irgendwie gar nicht wahrgenommen wird, frage ich mich immer, was es bringen
sollte, wenn der Hundebesitzer diese „Methoden“ nicht selbst anwenden kann.
Muss dann der Fernsehtrainer einziehen?
Warum werden Sendungen gezeigt, in welchen Hunde misshandelt werden? Wie kann es sein,
dass trotz langjähriger vehementer Gegenargumentationen anerkannter Forscher,Wissenschaftler und Verhaltensmediziner bei den Fernsehsendern Derartiges
trotzdem gezeigt wird? Wie kann, ohne zu hinterfragen, gut gefunden werden,
wenn Tiere im Fernsehen gekniffen, geschlagen, getreten und oft fast erwürgt
werden, so dass sie sich vor Angst „in die Hose machen“? Was kann daran gut und
richtig sein? Sensationslust?
Wer es sich antun möchte: Das Video zeigt einen Hund, der für eine bescheuerte und absolut unnütze Alpha-Rolle fast stranguliert wird und Todesangst bekommt. Bitte beachten Sie die blaue Maulschleimhaut (Sauerstoffunterversorgung) sowie die Augen des Hundes. Er uriniert sogar unter sich...und gelernt hat er vermutlich gar nichts! Widerwärtig.
Wer es sich antun möchte: Das Video zeigt einen Hund, der für eine bescheuerte und absolut unnütze Alpha-Rolle fast stranguliert wird und Todesangst bekommt. Bitte beachten Sie die blaue Maulschleimhaut (Sauerstoffunterversorgung) sowie die Augen des Hundes. Er uriniert sogar unter sich...und gelernt hat er vermutlich gar nichts! Widerwärtig.
Mittlerweile finde ich es gruselig, dass in der
Hundeerziehung teilweise wieder im Sauseschritt in die Steinzeit zurückgerannt
wird – alleine durch die Medienpräsenz einiger derzeit populärer „Trainer“ oder
„Flüsterer“ ohne jegliche fachliche Basis (wie ironisch, dass bei dieser Art
des „Flüsterns“ eigentlich "gebrüllt" und rohe Gewalt eingesetzt wird). Niemand
ist alleine dadurch qualifiziert, dass er mit Hunden groß geworden ist…
Auch allgemein wird erschreckenderweise wieder offener
gezwickt, getreten, geschubst, ge-kscht-tet, in die Flanke gekniffen, an der
Leine gerissen und geruckt, bedroht, beängstigt – ich könnte noch lange weiter
schreiben und es macht mich traurig, so etwas auf einem Spaziergang oder wo auch
immer beobachten zu müssen. Einige Hundetrainer sind mittlerweile auf die derzeit leider
wieder aktueller gewordene „Dominanzschiene“ aufgesprungen und werben mit
„belohnungsfreiem“ Training und dem „Arbeiten über reine Kommunikation“. Wobei
eben nicht wirklich und auch nur in eine Richtung "kommuniziert" wird, nämlich aversiv vom Halter zum
Hund. Was der Hund an Signalen zeigt und kommuniziert, wird schlichtweg nicht
wahrgenommen und nicht erkannt.
Ein häufiges Argument für „Training“ mit Aversiva ist, dass
das Arbeiten über Lob und Belohnung vielleicht bei einem kleinen, artigen
Hunden klappen würde, aber ein Rottweiler, Dobermann, Pitbull, AmStaff,Schäferhund, Herdenschutzhund, Malinois (die Liste ließe sich lange fortführen) muss und kann ruhig etwas härter angepackt werden, so ein Hund „müsse schon
wissen, wer der Chef sei“ und sei sowieso von vornherein „dominant“. Oder aber,
der Hund „sei gerade in einer Phase, in welcher der Besitzer „deutlicher“
werden müsse, zeigen müsse, wer das Sagen hat, dominieren müsse, der Hund sei
stur und wolle nicht hören“…Hunde würden sich untereinander ja auch so
behandeln, das täte dem Hund ja nicht weh etc, etc.
Als ob alle Hunde danach trachten würden, uns Hundebesitzer
im Schlaf zu ermorden, um dann die Weltherrschaft zu übernehmen!
Hunde nehmen, was sie bekommen – meist liegt der Fehler beim
Menschen. Alle Hunde sind auf uns Menschen angewiesen und sie sind
Opportunisten, aber sehr willig, mit uns zu kooperieren – bei einer gesunden
und guten Beziehung und einer innigen Bindung funktioniert der Alltag ohne grob
oder laut werden zu müssen!
Gerade Hunde in schwierigen Entwicklungsphasen, mit Aggressionsproblemen und gerade Hunde
bestimmter Rassen sollten unbedingt mit positiv
verstärkenden Trainingsmethoden gearbeitet und trainiert werden – aus
ethischen Gründen, aber auch, um der Allgemeinheit zu zeigen, dass der Hund
nicht primär eine bestimmte Rasse, sondern schlichtweg ein Hund ist, der, wie
alle anderen Hunde auch, in hohem Maße darauf ausgelegt ist, mit uns Menschen
im Guten zusammen zu leben.
Positive Trainingsmethoden funktionieren nicht? Positives,
freundliches und überlegtes Training kann bei bestimmten Rassen, bei Aggressionsproblemen oder in
gewissen Entwicklungsphasen nicht eingesetzt werden?
Positive Trainingsmethoden, insbesondere das Arbeiten mit
dem Clicker werden seit langem in Zoos, in Tierstationen, in großen Aquarien
erfolgreich eingesetzt, um alle möglichen Spezies zu trainieren. Wenn wir
Wildtiere, wie Tiger, Orcas, Affen, Löwen, Wölfe und sogar Fische mit positiver
Verstärkung trainieren können, wieso sollte diese Trainingsform nicht auch bei
einer Tierart angewendet werden können, die seit hunderten von Generationen
dafür gezüchtet wurde, eng mit uns Menschen zusammenzuleben und zu arbeiten? Ein Tiger, ein Nashorn, ein Nilpferd würde einen Menschen in
freier Wildbahn unter Umständen ohne zu zögern töten – diese Tiere werden mit
positiver Verstärkung dazu gebracht, in oder aus dem Käfig zu gehen, beim
Wiegen still zu halten, ihren Fang für Untersuchungen zu öffnen, Blutabnahmen
zu tolerieren, kleine Tricks zu zeigen und vieles mehr.
Und es soll nicht möglich sein, eine bestimmte Hunderasse,
einen bestimmten Hund ohne aversives Training über positive Methoden dazu zu
bekommen, an lockerer Leine Fuß zu gehen oder ein auf dem Boden liegendes Brötchen
nicht zu fressen? Keine Hunderasse und kein Hund in einer schwierigen
Entwicklungsphase ist, als domestiziertes Haustier, so gefährlich wie eine Großkatze!
Das kann ich mir hier nicht verkneifen, ich würde so gerne
einmal sehen, wie der Herr aus Mexico (oder der Trainer mit der
Baseballkappe, der australische „Hundeflüsterer“ oder sonst einen Trainer mit
Dominanzfixierung oder Napoleonsyndrom) versucht, mit seinen Methoden eine
Großkatze dazu zu bringen, in eine Box zu gehen…interessante Vorstellung!
Selbst im Schutzhundebereich, der mich persönlich so gar
nicht anspricht, ist das Training über positive Verstärkung angekommen, dieser Hund wurde auf der Basis positiver Verstärkung trainiert und ist Weltmeister 2012:
Meinen die Menschen wirklich, man könnte Minensuchhunde, Rettungshunde oder Diensthunde aus dem Spürhundebereich über Gewalt und Strafe trainieren?
Aber sollten gerade bestimmte Rassen, Hunde mit Aggressionsproblemen oder Hunde in einem
bestimmten Entwicklungsstand nicht ganz besonders gezeigt bekommen, wer der „Boss“
ist?
Aber sicher, alle Hunde sollten ihre Halter als souveräne,
gelassene und freundliche Leitbilder sehen können – Hunde brauchen jemanden,
der sie freundlich, geduldig und ruhig anleitet.
Wir alle wissen mittlerweile, das der Mythos des aggressiven
und tyrannischen Alpha-Tiers auf Fehlern in Forschungsarbeiten aus den
Sechzigern beruhte und dass leitende Hunde oder Wölfe in der Realität nur selten
aggressive Verhaltensweisen zeigen (das wirklich „dominante“ Tier ist durch
ausgeprägte Souveränität und Gelassenheit gekennzeichnet und wird nur in den
seltensten Fällen körperlich aggressiv). Warum? Weil wahre „Führungspersönlichkeiten“
es nicht nötig haben, aggressiv, grob und unfair zu werden.
Der Bezug zu den fehlerhaften Beobachtungen und der
Vergleich Hund und Wolf ist bei den meisten Trainern, die nach dem „Dominanzkonzept“
und der „Rudeltheorie“ arbeiten, immer noch deutlich vorhanden. John Bradshaw
schreibt in seinem Buch „Hundeverstand“ (Kynos Verlag, 2011) sehr schön: „Meiner
Meinung nach liegt der Schlüssel zum Verständnis des Haushundes zunächst einmal
im Verständnis des Haushundes“. Und „Wir sollten den Hund als eigenständiges
Tier analysieren und nicht als einen unbedeutenden Ableger des Wolfes“. Trotz genetischer Übereinstimmung Wolf – Hund von 99,96% ist die Dominanztheorie für Wölfe widerlegt
und sie ist schon gar nicht so ohne weiteres auf den Haushund zu übertragen. Das Erbgut zweier Menschen unterscheidet sich in nur 0,1 %, aber dieser scheinbar
minimale Unterschied rechtfertigt nicht, alle Menschen und Charakterzüge in
einen Topf zu werfen.
Eine "Führungsposition" beinhaltet schlichtweg Kontrolle über
Ressourcen – und da unseren Hunden die Daumen fehlen, sollten wir doch in der
Lage sein, die Dinge, die unseren Hunden wichtig sind (das muss nicht immer nur Futter sein!), zu kontrollieren und
durch DENKEN zur Belohnung und Motivation einzusetzen. Wir haben den Hunden
hierin einen weiten Vorsprung, der sich ohne jegliche Gewalt durchsetzen lässt!
Eine gute Führungspersönlichkeit ist wohlwollend und
vertrauenswürdig – überlegen Sie doch bitte einmal, welcher Chef Ihnen lieber
wäre, derjenige, der freundlich und souverän ist, der Ihnen Sicherheit
vermittelt und für den Sie gerne arbeiten (gegen Lohn oder Gehalt – es ist
keine Schande, einen Hund für gute Leistungen zu belohnen, so wie wir unser
Geld bekommen!), weil er Sie unterstützt und geduldig ist, oder der Chef, der
Sie drangsaliert und schikaniert, der Sie anschreit, dass Sie nur alles falsch
machen würden, Ihnen aber keinerlei Hinweise gibt, was richtig wäre? Welchen
Chef würden Sie wählen? Wen würden Sie mehr respektieren und schätzen? Bei
welchem würden Sie die bessere Leistung erbringen, freiwillig?
Ich finde, dass jeder, der mit Hunden arbeitet, wissen muss,
wie Hunde lernen, wie sie denken und vor allem, wie sie zu motivieren sind.
Dass Strafreize dem Lernen nicht gerade zuträglich sind, habe ich schon an
anderen Stellen ausführlich beschrieben. Bei Hunden mit Aggressionsproblemen sind Strafreize und Gewalt im Training regelrecht kontraindiziert!
Wenn ein Hund Probleme macht, so sollte zunächst sein Alltag
und die vom Besitzer investierte Arbeit angesehen
werden: wurde dem Hund überhaupt beigebracht, sich „höflich“ und ruhig zu
verhalten? Wurde ihm beigebracht, für Dinge, die ihm wichtig sind, mit dem
Besitzer zusammenzuarbeiten? Weiß der Hundehalter, was seinem Hund wichtig ist?
Hat er sich Zeit genommen, dem Hund die entsprechenden Verhaltensweisen schrittweise so
beizubringen, dass sie auch in kritischen Situationen abrufbar sind? Hatte der Hund eine Chance, das richtige
Verhalten zu zeigen und wurde ihm gesagt, dass dies sich auszahlt? Durfte er lernen oder wurde
nur das Fehlverhalten bestraft? Wie wurde der Hund trainiert?
Ein fordernder und unhöflicher Hund, aber auch ein Hund, der
z. B. auf bestimmte Reize unangemessen reagiert, ist oft ein Anzeichen dafür,
das erwünschtes Verhalten nicht ausreichend genug trainiert wurde, das nicht
überlegt wurde, was stattdessen angemessen wäre und dass keine Managementmaßnahmen
ergriffen wurden. Was soll der Hund stattdessen tun und wie soll das erwünschte
Verhalten aussehen? Wie bringe ich dies dem Hund am besten bei? Fragen, die
sich verantwortungsbewusste Hundehalter unbedingt stellen sollten. Und geht es
nicht voran im Training, nicht gleich die Peitsche herausholen, sondern
jemanden fragen, der auf wissenschaftlicher Basis arbeitet und Ihnen helfen
kann. Aber Vorsicht, nicht überall, wo „positive Verstärkung dran steht, ist
auch positive Verstärkung drin!
Das folgende Video zeigt einen schönen und korrekten Ablauf einer Übungssequenz bei Aggression gegenüber anderen Hunden. JA, da wird ein Hundedummy verwendet - und das ist wichtig und richtig, denn, wenn man korrekt trainieren will, muss der Hund unbedingt unterhalb der Reizschwelle gearbeitet werden:
Noch ein paar Fachartikel für Interessierte:
Training
methods and owner-dog interactions: Links with doch behavior and learning
ability, Nicola Jane Rooney, Appl.Anim.Behav.Science 132 (2011): 169 – 177:
The
personality of “aggressive” and “non-aggressive” dog owners, Deborah L. Wells,
Peter G. Hepper, Personality and Individual Differences, Elsevier, 53, (2012),
770-773
Behaviour
of smaller and larger dogs: Effects of training methods, inconsistency of owner
behavior and level of engagement in activities with the dog. Christine Arhant
et al., A Appl.Anim.Behav.Science 123 (2010), 131 – 142