Dienstag, 4. Februar 2014

Hormone und Verhalten - die Scheinträchtigkeit



Liebe Leser, 

ich werde in der nächsten Zeit in unregelmäßigen Abständen versuchen, Ihnen Informationen über Verhaltensveränderungen im Zusammenhang mit körperlichen Ursachen zu geben.

Ein wichtiger Bereich mit einem großen Einfluss auf das hundliche Verhalten sind Hormone; im heutigen Posting soll es um Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit dem Zyklus der Hündin und hier insbesondere der Phase nach der Läufigkeit (Metöstrus / Diöstrus) gehen.


Die Scheinträchtigkeit (Pseudogravidität)

Besitzerinnen und Besitzer intakter, also nicht kastrierter Hündinnen werden diesen Zustand in verschiedenen Ausprägungen kennen: die Scheinträchtigkeit.

Hierunter versteht man Verhaltensveränderungen sowie die Ausbildung von körperlichen Trächtigkeitsanzeichen bei nicht gedeckten Hündinnen, die, je nach Ausprägung, bis hin zur Milchproduktion führen können. Das Verhalten der Hündin ändert sich in diesem Zeitraum oft sehr stark.




Was ist die Grundlage für diese Verhaltensveränderungen?

Der Hormonstatus direkt nach der Läufigkeit unterscheidet sich bei einer gedeckten Hündin nicht von dem einer nicht gedeckten Hündin. Jede intakte Hündin ist, hormonell gesehen nach der Läufigkeit trächtig; dies beruht auf der Wirkung des Hormons Progesteron, welches sowohl bei gedeckten als auch bei nicht gedeckten Hündinnen ansteigt.

Es ist nach der Läufigkeit also nicht relevant, ob eine Hündin nicht gedeckt wurde; der Hormonstatus entspricht in der frühen Phase nach der Läufigkeit dem einer trächtigen Hündin. Dieser Zustand ist „physiologisch“, also normal.

Eine Scheinträchtigkeit ist also ganz normal und kein krankhafter Zustand. Die Stärke der Ausbildung und auch die Auswirkung einer Scheinträchtigkeit (also z. B. übermäßige Milchbildung, Gesäugeentzündung) können aber zu krankhaften Zuständen führen, die dann von einer Tierärztin oder einem Tierarzt untersucht und eventuell behandelt werden müssen. Im Zweifelsfall also bitte eine Tierärztin oder einen Tierarzt aufsuchen!

Manche Hündinnen starke Verhaltensveränderungen, einige produzieren Milch und wieder andere „leiden“ sehr stark.


  
Hormone:

Die Konzentration des Hormons Progesteron steigt für drei bis vier Wochen nach der Läufigkeit stark an, danach fallen die Werte über mehrere Wochen sanft und leicht ab. Die gesamte Phase kann zwischen 60 und 90 Tagen andauern.

Durch einen stärkeren Hormonabfall gegen Ende dieser Zyklusphase kann es zu Verhaltensveränderungen und körperlichen Symptomen kommen. Besonders starke Änderungen entstehen aus einem raschen Progesteronabfall, denn hier wird die Bildung von Prolaktin stimuliert. Dieses Hormon regelt die Milchbildung.
Ein sehr schneller Progesteronabfall führt somit zu einem sehr hohen Prolaktinspiegel und erhöht so bei empfindlichen Hündinnen das Risiko einer Milchproduktion auch ohne Trächtigkeit (Lactatio falsa).

Wie kann eine Scheinträchtigkeit das Verhalten verändern?

Die Ausprägungen sind sehr unterschiedlich bei den einzelnen Hündinnen. Die Hormone vermitteln der Hündin, sie sei tragend.

Im Zeitraum nach der Läufigkeit sind manche Hündinnen unverändert, wieder andere sind ruhiger, schlechter zu motivieren, anhänglicher und „häuslicher“. Zirka sechs bis acht Wochen nach der Läufigkeit kann es zu sehr deutlichen Symptomen kommen, die je nach Hündin eine bis drei Wochen andauern.

Die Hündin beginnt, „Nestbau-Verhalten“ zu zeigen, sie sucht Stellen, an welchen sie gebären und ein Wurflager für ihre Welpen errichten könnte. Die Hündin ist unruhig, mag das Haus nicht gerne verlassen und möchte häufig so schnell es geht wieder nach Hause. Viele Hündinnen winseln und jammern, wandern im Haus oder der Wohnung herum; einige scharren an ihren Liegeplätzen und suchen „Ersatzwelpen“ (sprich Objekte, die klein und transportierbar sind und einen Welpen simulieren können, wie Spielzeuge, vor allem Quietschtiere, aber auch Socken, Decken und Kissen etc.), die oft auch in diese Lager getragen und dort bewacht werden. Einigen Hündinnen kann der Stress deutlich angesehen werden, sie hecheln, sind unruhig, zeigen Anspannung, wandern umher – wie eine trächtige Hündin auch.

Manche Hündinnen werden territorialer, d.h. sie bewachen Haus und Hof stärker, um die vermeintlichen Welpen zu schützen. Auch „Pseudowelpen“ können übrigens recht aggressiv verteidigt werden. Die so genannte „mütterliche Aggression“ ist zwar selten, kann aber auch gegenüber den Ersatzwelpen und der „Wurfkiste“ gezeigt werden. Es gibt Hündinnen, die in der Läufigkeit und auch in der Phase nach der Läufigkeit verstärkt unangemessen auf andere Hündinnen reagieren.

Das Gesäuge kann anschwellen, in extremen Fällen produziert die nicht gedeckte Hündin Milch.




Wie kann einer scheinträchtigen Hündin geholfen werden?

Wichtiges vorweg: Bitte suchen Sie bei stark geschwollenem Gesäuge mit Milchproduktion einen Tierarzt auf, unbehandelt kann es zu sehr schmerzhaften Gesäugeentzündungen kommen.

Den Verhaltensveränderungen kann man entgegenwirken und sie mildern. Hierzu ein paar Tipps, um diese Phase besser überwinden zu können:

-         Bitte nicht am Gesäuge kraulen und streicheln, Sie stimulieren die Milchproduktion und das Drüsengewebe und erhöhen das Risiko für eine Milchproduktion (Lactatio falsa). Verhindern Sie bitte auch, dass die Hündin am Gesäuge leckt und vermeiden Sie Wärmeanwendungen am Gesäuge, denn auch hier wird die Milchproduktion stimuliert.
-         Sorgen Sie für viel Aktivität und Bewegung an der frischen Luft und außerhalb des Hauses, spielen Sie mit Ihrer Hündin, gehen Sie spazieren und geben Ihrer Hündin kleine Aufgaben, lassen Sie Futter suchen, machen Sie Dummytraining, sorgen Sie bitte für körperliche und geistige Aktivitäten, immer im Rahmen von freundlichem und entspanntem Training. Neben der körperlichen Auslastung führt vor allem die geistige Auslastung zu entspanntem Verhalten zu Hause; nur ein geistig ausgelasteter Hund wird auch richtig müde.
-         Bitte entfernen Sie zu Hause die „Ersatzwelpen“ und räumen Sie diese vorübergehend weg. Wenn alles vorbei ist, können die Spielsachen wieder benutzt werden.
-         Mit dem alleinigen Wegräumen ist es jedoch nicht getan. Wichtig ist jetzt, mit der Hündin auch innerhalb des Hauses zu trainieren und sie vor allem zu Hause zu beschäftigen. Üben Sie kleine Tricks auf Belohnungsbasis ein, benutzen Sie hierzu ruhig einen Clicker, besorgen Sie sich Denkspielzeuge oder basteln Sie entsprechende Spielsachen (tolle Anleitungen gibt es in Büchern oder hier). Verabreichen Sie das Futter im Rahmen einer Futtersuche im Haus, aus einem Futterball oder aus dem Kong®. Halten Sie die Hündin geistig beschäftigt, so dass sie ihre „trüben“ Gedanken vergisst.
-         Kuscheln und Körperkontakt sind immer und für jeden Hund, der das mag, wichtig, aber gerade in dieser Phase sollten Sie besonderes Augenmerk auf Aktivitäten legen. Dies heißt nicht, dass Sie nicht mehr mit Ihrer Hündin kuscheln sollen, natürlich nicht, aber es ist besser, in dieser Phase für viele Aktivitäten zu sorgen. Zu viel Kuscheln und Liegen, verbunden mit wenig Aktivität ist den Verhaltensveränderungen bei Scheinträchtigkeit zuträglich.
-         Jammern und Unruhe sollten dazu führen, dass Sie versuchen, andere Aktivitäten anzubieten, um die Hündin beschäftigt zu halten. Bitte nehmen Sie wahr, dass sie Ihre Hilfe benötigt und sorgen Sie für Erlebnisse. Gehen Sie spazieren oder machen Sie ein Zerrspiel im Garten, üben Sie mit der Reizangel die Impulskontrolle, trainieren Sie ein Bleiben, während Sie sich verstecken und Ihr Hund Sie suchen darf etc.
-         Verstehen Sie mich bitte richtig: immer und jederzeit sollte auf die Bedürfnisse der Hündin geachtet werden, sie hat nur Sie und Ihre Familie als Ansprechpartner und ist auf Sie angewiesen. Sie sollen Ihre Hündin nicht ignorieren! Was ich damit sagen möchte, ist, dass Sie nicht mehr kuscheln und schmusen sollten als sonst auch, sondern neben dem „normalen“ Kuscheleinheiten auch ganz viele Aktivitäten anbieten, die Ihre Hündin nutzen kann. Die meisten Hunde sind sehr froh über diese Optionen, denn sie fühlen sich nicht wohl. Leiten Sie die Aktivitäten vorübergehend um, halten Sie die Hündin beschäftigt. Sie braucht Ihre Unterstützung.
-         Starke Symptome, Verhaltensveränderungen, Stress und vor allem Milchproduktion bei Ihrer Hündin sollten Sie bitte veranlassen, eine Tierärztin oder einen Tierarzt aufzusuchen.

Dieses Blogbeitrag soll keine Diskussion zum Thema Kastration – ja oder nein anregen, denn dies sollte jede Besitzerin und jeder Besitzer einer Hündin selbst bzw. im Gespräch mit dem Tierarzt oder anhand der Stärke der Symptome und der Verhaltensveränderungen festmachen und entscheiden. Eine Kastration hat Vor- und Nachteile, die individuell abgeklärt werden sollten (Tierschutzgesetz, medizinische „Indikation“).