Haben körperliche Strafen in der Hundeerziehung ihre
Berechtigung und ist ein freundliches oder zumindest neutrales Training
langwierig und ineffektiv? Ist es lächerlich, einen Hund mittels positiver
Verstärkung zu trainieren? Braucht es mehr Härte in der Hundeerziehung, wenn
auch vielleicht nur ab und zu? Wieder wie früher?
Immer wieder wird Ähnliches von Trainern geäußert, wenn sie
sich für ihre groben Trainingsmethoden rechtfertigen wollen.
Den Kunden und deren Tieren gegenüber ist es meiner Meinung
nach nur korrekt, die aktuellen Erkenntnisse anzuwenden und zu begründen, warum
physische Bestrafung keine geeignete Trainingsform ist, statt einfach auf den Hund (oder die Katze, den Hamster, den Papagei oder das Kaninchen) draufzuhauen, Verhalten
nur abzubrechen, statt zu verändern und dieses den Tierbesitzern, die Hilfe
suchen, auch noch zu empfehlen.
Oft ist doch das vorherige Training über physische Strafen ein
häufiger Grund, weshalb der Trainer aus der „Wattebauschfraktion“ seine „Patienten“
unter Umständen länger betreuen muss.
Wenn so trainierte Hunde zur Verhaltenstherapie kommen, muss man nicht
nur bei null, sondern meist tief im Minusbereich ansetzen. Fachlich korrekt
oder effektiv gearbeitet haben Trainer, die physische Strafen einsetzen, nicht,
denn der Hund ist jetzt oft erst richtig problematisch und zur Gefahr geworden
– spätestens dann, wenn er sich gegen seinen Besitzer oder das Umfeld richtet
(ein Risiko beim Einsatz von physischer Bestrafung). Viele Hunde haben aufgrund
fehlerhaften Trainings über physische und psychische Bedrohung und Gewalt Probleme
erst entwickelt!
Zum Totschlagargument „Drohende Einschläferung“ noch ein paar Worte:
Insbesondere Hunde mit aggressiven Verhaltensweisen, sollten, da sie oft
aufgrund des vormals fehlerhaften Trainings und/oder
aufgrund von Versäumnissen Probleme erst
bekommen haben oder weil körperliche Ursachen vorliegen, nicht über positive
Bestrafung gearbeitet werden. Innerhalb der Extremsituation befindet sich das
Hundegehirn im Überlebensmodus, alle Alarmsysteme sind aktiv. Das Training muss
vorher ansetzen, in Situationen, in welchen eine Eskalation noch entfernt ist.
Eine Verhaltensveränderung kann nur außerhalb von Extremsituationen erreicht
werden und muss dann in Richtung Problemsituation erweitert werden – das ist
auch beim Menschen so. Warum nur
gestehen sich manche Menschen ständige Ausraster und hoch emotionale Reaktionen
zu und sehen selbst nicht, dass sie innerhalb dieser Situationen gar nicht in
der Lage sind, anders zu reagieren oder überhaupt noch zu denken? Der Besitzer
zeigt diese Unkontrollierbarkeit der eigenen Emotionen (mit Würgen, Schreien
oder Schlagen des Hundes) oft gerade dann, wenn der Hund unangemessen reagiert.
Dem Hund jedoch wird Emotionalität abgesprochen…er soll wie eine Maschine
funktionieren, zu jeder Zeit. Nur, wer von beiden wäre denn
aufgrund seiner geistigen Leistungsfähigkeit
überhaupt
in der Lage, sich besser zu kontrollieren – Hund oder Mensch?
Auch „Wattebauschtrainer“ haben häufig mit Aggression bei
Hunden zu tun und auch wir trainieren überwiegend im Alltag mit den Auslösereizen
(und nicht, wie so oft behauptet wird, nur in unrealistischen gestellten
Situationen). Nur arbeiten wir nicht so, dass wir die Hunde direkt und unvorbereitet
mitten in die für sie als gefährlich empfundene Situation zerren und dann physisch
bestrafen, wenn sie – vorhersehbar! – unangemessen reagieren.
Es gibt auch pathologische Formen von Aggression aufgrund
körperlicher Ursachen. Ein Einsatz von Strafe ist hier ganz besonders falsch,
unethisch und kontraproduktiv, denn der Strafende dringt vor allem in
kritischen Situationen definitiv nicht dorthin vor, wo Lernen noch möglich wäre.
Auch nicht, wenn der Trainer einen Schmerzreiz erzeugt – hierdurch wird nichts
gelernt und auch durch das Erschrecken oder Zufügen von Schmerzen wird ein Hund
nicht ansprechbarer, denn zusätzliche Empfindungen kommen hinzu: Angst und Schmerzen. Ein
ängstliches Tier oder ein Tier mit Schmerzen ist doch nicht ansprechbarer, als
ein Tier, welches in einer von ihm als bedrohlich empfundenen Situation
aggressiv reagiert. Das kann als Begründung nicht gelten.
Mir drängt sich immer wieder die Frage auf, was in den Köpfen im Hinblick
auf moralische Vorstellungen vorgeht. Darf ich denn, wenn es bessere,
effektivere und freundliche, hundegerechte Möglichkeiten gibt, als
verantwortungsvoller Hundebesitzer physische Bestrafung einsetzen? Muss ich
nicht auch überlegen, gerade dann, wenn ich Verantwortung für ein Lebewesen
übernommen habe, wie ich Dinge dauerhaft ändern kann, ohne dass ich meinem
Schutzbefohlenen gegenüber grob werde oder ihn erschrecke? Wo habe ich selbst
Fehler gemacht, habe ich einen Beitrag zum Fehlverhalten geleistet und darf ich
den Hund dafür strafen? Kann ich mein Handeln mit meinen moralischen Ansprüchen
in Einklang bringen? Darf ich als Trainer meinen Kunden Gewalt anraten, wenn es
auch anders und dauerhafter geht?
Nun aber zur Kernfrage: Ist das „Wattebauschtraining“ eigentlich
wirklich so soft und ist es wirklich nicht effektiv und dabei noch langwierig?
Jetzt kommen die –
Achtung, das böse Wort! – Lerngesetze bei Hunden wieder ins Spiel und wollen praktisch
umgesetzt werden, sie gelten auch
für Trainingsformen mit physischer Bestrafung, so sehr dies oft verleugnet und
belächelt wird.
So viel vorweg und ganz neutral: alle vier Quadranten, also positive und negative Verstärkung sowie
positive und negative Strafe funktionieren!
Alle vier Wege führen also zu einem Effekt. Es lassen sich für alle Wege der operanten
Konditionierung noch einmal detaillierte Regeln aufstellen.
Für die positive Bestrafung müssten, um eine Wirkung zu ermöglichen,
die Folgenden eingehalten werden:
·
Strafe muss etwas sein, was der Hund nicht mag
und nicht erwartet und muss biologisch nachvollziehbar für den Hund sein
·
Strafe muss das Verhalten unterdrücken, sonst
ist ihr Einsatz ineffektiv
·
Die Strafe sollte mit dem Verhalten, aber nicht
mit dem Anwender oder Umgebungsreizen assoziiert werden
·
Strafe muss zeitnah erfolgen (innerhalb von 0,5
bis 1 Sekunde) und jedes Mal erfolgen, wenn das unerwünschte Verhalten gezeigt
wird.
·
Strafe muss sofort so stark sein, dass das
unerwünschte Verhalten beendet wird, darf aber nicht so stark sein, dass es zur
Traumatisierung des Individuums kommt.
·
Es muss immer Alternativen für den Hund geben,
die Strafe zu umgehen und der Strafeinsatz sollte niemals den Hauptbestandteil
der angewandten Lerngesetze und Trainingsmethoden ausmachen.
Alle diese oben angeführten Regeln
einzuhalten, schafft weder ein Trainer noch ein Hundebesitzer, der positive
Strafe anwendet! Es ist technisch nicht machbar (spätestens dann, wenn es um
die Assoziationen und das Einhalten der Regelmäßigkeit geht) und es ist auf
dieser Grundlage fast ignorant, einen Einsatz positiver Bestrafung zu
befürworten!
Ganz besonders verwirrend und somit verunsichernd für Hunde ist übrigens eine
Kombination aus positiver Strafe und Belohnung – hier wird versucht, das
Nichteinhalten der obigen Regeln durch (meist sparsame) Belohnungen wieder
wettzumachen. Für Hunde ist diese
„Jekyll-und-Hyde-Methode“ ganz besonders schlecht zu verstehen, der
Besitzer wird aus Hundesicht unberechenbar, der Hund ist im Dauerstress.
Worauf sollte denn (wir sind mittlerweile in 2013
angekommen!) ein Training auf aktuellem Stand basieren?
In erster Linie sollte die positive Verstärkung
eingesetzt werden: dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit
für das Ausführen einer bestimmten Verhaltensweise durch Hinzufügen eines für
den Hund angenehmen Reizes erhöht wird. Der Anteil „positive Verstärkung“ ist
derjenige, der nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft den höchsten
prozentualen Anteil des Trainings ausmachen sollte (im Idealfall über 95%). Es
gibt Trainer und Hundehalter, die sehr nahe an der 100%-Marke trainieren; es werden
gezielt alle Verhaltensweisen verstärkt, die nicht das unerwünschte Verhalten sind.
Manchmal wird vielleicht noch die negative Bestrafung benötigt
oder ergibt sich im Training und Alltag, allerdings hoffentlich eher selten und nur ganz
kurzfristig. Negative Bestrafung bedeutet, dass ein Verhalten seltener
auftritt, weil ein für den Hund angenehmer Reiz entfernt wird, z.B. eine Belohnung bleibt aus oder ein zu grobes Spiel wird unterbrochen, indem der Hundebesitzer kurz weggeht.
Es sollte schnell daran gearbeitet werden, richtige Verhaltensalternativen zu bestärken und zu betonen, statt stets negative Bestrafung einzusetzen.
In manchen Fällen, z.B. bei reaktiven Hunden, kann ein entsprechend aus- und
weitergebildeter Trainer oder Besitzer negative Verstärkung einsetzen. Das
Entfernen eines unangenehmen Reizes wirkt hier verstärkend. Wenn diese
Trainingsform bei bestimmten Hunden eingesetzt wird, sollte sie unbedingt fachlich
korrekt in einen Trainingsplan eingebaut sein, zu Beginn mit positiver Verstärkung
kombiniert werden und stufenweise erfolgen, damit der Hund bewusst die richtige Alternative wählt. Dann ist auch negative Verstärkung
sehr effektiv.
Jeder Hundebesitzer und jeder Trainer kann zusätzliche Managementmaßnahmen,
mit welchen durch Planung im Vorfeld verhindert wird, dass ein gefährdendes
oder unangemessenes Verhalten auftritt, einsetzen. Ein alleiniges Management
bringt allerdings wenig, denn es verhindert, verbessert oder verändert aber
nicht. Kritische Stimmen werden jetzt vermutlich anmerken, dass
eine Managementmaßnahme auch eine Bestrafung ist – nein, denn sie wird ja zur
Verhinderung (also vor einem
Verhalten) und nicht als Konsequenz einer Verhaltensweise eingesetzt.
Wenn sie eine Konsequenz wäre, dann wäre das Timing ziemlich bescheiden. Und
Leinenrucken, Würgen, Zwicken oder Schlagen ist nun mal kein Management, das
ist positive Bestrafung.
Die positive Bestrafung, wird bei einem Trainer /
Hundebesitzer, der über positive Verstärkung arbeitet, weggelassen. Er/Sie
beruft sich dabei auf Erkenntnisse aus der Forschung. Die Quadranten
negative Verstärkung und negative Bestrafung werden sehr selten oder gar nicht
eingesetzt; den höchsten Anteil macht die positive Verstärkung aus.
Im Grunde ist das Arbeiten über positive Verstärkung nichts
Lächerliches, es ist eine logische und ernsthafte Methode und weit vom „Heiteitei“
entfernt:
Der Anwender positiver Verstärkung ist so gut informiert und
hat entsprechende Trainingsfähigkeiten, dass er Verhaltensweisen seines Hundes,
die er sehen möchte, formen und festigen kann – und der Hund findet das auch
noch super, denn es zahlt sich für ihn aus und er arbeitet gerne.
Manche „Gegner“ behaupten, die Hunde werden manipuliert und
sind willenlos, man spräche ihnen das Denken ab. Willenlos sind sie definitiv
nicht, sie werden so trainiert, dass sie das Gefühl haben, sie könnten ihrerseits
den Menschen beeinflussen, indem sie Verhalten anbieten; diese Hunde wollen
arbeiten, sind stark motiviert und sehr kreativ. Der Trainer oder Hundebesitzer hat die Kontrolle
über Verstärkung und fördert das gewünschte Verhalten, statt falsche
Verhaltensweisen stets unterbinden zu müssen.
Und es ist tatsächlich so, dass die Hunde hier gerne und freudig
trainieren. Und nein, sie sind nicht „nur dressiert“, denn sie bieten
selbständig Verhaltensweisen an. Niemand spricht dem Hund das Denken ab, denn
genau dies möchte ein guter Trainer und/ oder Hundebesitzer haben – einen
denkenden Hund, nur so ist ein Fortschritt im Training möglich und der Hund ist
wirklich ausgelastet.
Auch bzw. vor allem aggressive Hunde können und sollten über
eine Verstärkung des richtigen Verhaltens gearbeitet werden, unter Umständen
muss jedoch Zeit und Geduld aufgewendet werden, um das Vertrauen wieder
herzustellen.
Ein Training von Hunden ist durchaus ohne positive
Bestrafung möglich. Und außerhalb der Trainingseinheiten möchte man doch auf der Basis von Vertrauen und einer guten Bindung mit dem Hund zusammenleben und die Zeit genießen können.
Oft wird
argumentiert, alle Erkenntnisse über das Lernen mit den entsprechenden Gesetzen wären spätestens dann
nicht mehr relevant, wenn es um "soziales Lernen" bei Hunden ginge. Doch, denn auch beim Lernen im sozialen Umfeld finden Gewöhnung, Sensibilisierung, klassische Konditionierung, positive und negative Verstärkung und Bestrafung sowie Beobachtungslernen statt.
Über höhere kognitive Fähigkeiten bei Hunden wissen wir aktuell zu wenig, um diese Ebene direkt ansprechen zu können. Deshalb müssen wir mit den Möglichkeiten arbeiten, die wir haben und unnötige Trainingselemente vermeiden.
Übrigens kann beim Shaping oder „Freien Formen“, der hohen
Schule des Trainings mit Marker- oder Brückensignalen, sogar die Körpersprache des Hundes so
trainiert werden, dass man z.B. das Schwanzwedeln oder eine Spielaufforderung unter
Signal stellen und abrufbar machen kann. Beim Targettraining,
einer anderen Trainingsform auf derselben Basis, kann ein Hund lernen,
das Licht einzuschalten, Türen zu öffnen oder zu schließen und vieles mehr.
Wären diese Punkte über Bestrafung der nicht gewünschten
Verhaltensweisen trainierbar? Definitiv nicht.
In diesem Sinne – fördern Sie Verhalten, welches Sie sehen
wollen und seien Sie ein guter Lehrer!