Mittwoch, 11. Mai 2011

Von Wattebausch-Werfern und Hardlinern: Der korrekte Einsatz von Belohnungen

Mittlerweile existieren zahlreiche Methoden, um mit Hunden zu arbeiten. Bei der Flut der Meinungen, Trainingswege und Möglichkeiten ist so mancher Hundebesitzer überfordert oder zumindest verwirrt, welchen Weg er denn jetzt einschlagen soll. Oft wird geworben mit Schlagwörtern, wie „ohne Belohnungen“, „ohne Hilfsmittel“ oder es werden fragwürdige Techniken mit besonders obskuren Namen eingesetzt.

Zu Erziehungsmethoden, die meines Erachtens dem Tierschutz und der aktuellen Gesetzeslage widersprechen, möchte ich mich nicht äußern – es steht für mich außer Frage, dass es bessere und einfachere Möglichkeiten für jeden Hund und Halter gibt. Zudem ist nicht jeder Hund gleich, für jedes individuelle Hund-Halter-Team sollte der beste Weg gefunden werden und beide müssen sich wohl fühlen. Die dogmatische Herangehensweise ist meist die falsche.

Grundlegendes zum Thema Lernen möchte ich vorweg stellen.
Tiere lernen nicht, um einem anderen Tier oder einem anderen Lebewesen zu gefallen.
Was von manchen Menschen verlangt wird, ist, dass der Hund aus „Respekt“ lernen und folgen solle. Bei genauerem Hinsehen gibt es keinerlei Belohnung oder Motivation für den Hund. Das ist in der Natur nicht vorgesehen und kommt in der Tierwelt nicht vor. Tiere (und meist auch Menschen) lernen, um den eigenen Zustand zu verbessern. Tiere lernen und handeln nicht, weil sie Ihre Besitzer oder andere Tiere so gerne mögen. Sie lernen nur für sich selbst.

Auch wir Menschen müssen zur Arbeit motiviert werden, kaum einer von uns würde arbeiten und jeden Morgen pünktlich im Büro erscheinen, nur um es dem Chef recht zu machen. Wir arbeiten, weil wir Geld erhalten und damit Essen kaufen können, ein Dach über dem Kopf haben und uns ab und zu etwas Luxus leisten zu können. Selbst ehrenamtliche Tätigkeiten haben zum Lohn, dass die jeweilige Person Anerkennung ihrer Leistung durch andere erfährt. Kaum jemand tut wirklich etwas für „lau“ und Tiere eben überhaupt nicht.

Hunde müssen also motiviert werden, um mit uns zu arbeiten. Bei manchem Hund ist die Motivation leider, keine Strafe oder Prügel zu erhalten – er arbeitet aus Angst vor dem Besitzer. Angst aber ist kein Zustand, der das Lernen erleichtert – Angst schließt meist eine bewusste kognitive Leistung aus, da eine starke Emotion bewusstes Denken blockiert.

Motivation kann bei Hunden am besten mit Belohnung erzeugt werden – eine Belohnung muss und soll nicht immer ein Leckerchen sein!


Motivation (das auf emotionaler bzw. neuronaler Aktivität  beruhende Streben nach Zielen oder wünschenswerten Zielobjekten.) ist etwas ganz individuelles – jeder Hund wird durch andere Elemente motiviert bzw. situationsabhängig ganz unterschiedlich auf ein bestimmtes Motivationsmittel reagieren. Meist besitzen Umweltfaktoren und Handlungen die stärkste Motivation.

In meiner Hundeschule besprechen und üben wir die Möglichkeiten der Motivation und Belohnung in allen Kursen – eine Belohnung ist nicht ein „Vollstopfen“ des Hundes mit Leckerchen. Eine Belohnung kann nur motivierend wirken, wenn sie nicht stetig zur Verfügung steht, sondern gezielt eingesetzt wird! Zudem ist es wichtig zu wissen, für welche Kommandos oder für welche Aufgaben es sinnvoll ist, über eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems oder des parasympathischen Nervensystems zu arbeiten. Das ist eine Grundvoraussetzung für ein effektives Training. Ich kenne Hunde, die durch den ständigen Einsatz von Spielzeug und Bällen zur Belohnung Zwangsstörungen entwickelt haben!

Eine Belohnung kann sein: eine Handlung durchführen dürfen, Aufmerksamkeit des Besitzers, Spiel mit anderen Hunden, Spiel mit dem Besitzer, in Mäuselöchern buddeln zu dürfen, rennen zu dürfen, baden zu dürfen und vieles mehr, aber eben auch Futter. Jedes Lebewesen benötigt Nahrung – warum also nicht den Hund für sein Futter arbeiten lassen, um Lernprozesse zu beschleunigen, anstatt für ein einfaches Sitz in der extrem ablenkungsarmen Umgebung der Küche (was für keinen Hund ein Problem darstellen sollte) gleich einen ganzen Napf Futter zu geben? Und dieser Napf ist dann in zwei Minuten geleert – die Nahrungssuche und -aufnahme müsste aber für eine artgerechte Haltung von Hunden einen größeren Teil der Tageszeit in Anspruch nehmen  (auch bei  Rohfleischfütterung ist Fleisch aus dem Napf, das der Hund nicht vorher erarbeiten oder erjagen muss, nicht besonders "natürlich" !)

Stellen Sie doch einmal eine Belohnungs-Prioritäten-Liste für Ihren Hund auf mit allen Dingen, die er besonders gerne mag und tut. An oberster Stelle steht die am stärksten belohnende Handlung, dies wäre bei meiner Hündin zum Beispiel einem Hasen hinterher hetzen zu dürfen. Das kann ich natürlich nicht einsetzen, aber ich kann mit einer Reizangel zum Ersatz bei mir und auf Signal ein Hetzspiel mit einem Dummy durchführen. Solch eine Belohnung gibt es natürlich nur für außerordentliche Leistung. Die für meine Hündin an letzter Stelle stehende Belohnung wäre eine Berührung – lieber hat sie noch ein verbales Lob. Manch ein Hund hat nicht wirklich was vom Streicheln, für einen anderen Hund kann dies eine stärkere Belohnung sein. Es ist, wie gesagt, eine sehr individuelle Geschichte und von Hund zu Hund verschieden.

Der allerwichtigste Punkt ist allerdings, dass Belohnungen nie als Lockmittel eingesetzt werden sollten. Zu Beginn des Aufbaus kann bis zu fünf mal gelockt werden, um ein Signal zu etablieren, danach darf eine Belohnung nur für die richtige Handlung und nur nach dem verbalen Lob gegeben werden. Dies ist der häufigste Fehler. Werden Belohnungen als Lockmittel eingesetzt, so folgt ein Hund nur dann, wenn er auch eine Belohnung in der Hand sieht – das ist Arbeiten mit „Bestechungen“. Hier läuft das Training völlig falsch und wird nur schlecht funktionieren. Für den Hund soll das Signal des Hundeführers relevant sein und nicht, ob ein Futterstück in der Hand gehalten wird.

Der zweite, große Fehler ist meist, dass die Belohnungen nach dem Aufbau und der Festigung nicht wieder abgebaut werden. Nur beim Einsatz einer intermittierenden Belohnung wird ein Verhalten auf Dauer gespeichert und häufiger gezeigt. Nachdem ein Kommando aufgebaut ist, sollte die Belohnung stufenweise abgebaut werden, bis sie nur noch selten und unvorhersehbar eingesetzt wird. Dies führt zu einem verstärkten „Feuern“ dopaminerger Neurone und somit zu einer erhöhten Motivation.

Bis zum nächsten Blogeintrag wünsche ich allen eine gute Zeit und viel Spaß beim Erstellen der Belohnungslisten. Ich freue mich, wenn ich ein paar „exotische“ Belohnungen erfahren darf.

1 Kommentar:

  1. Variable Belohnung finde ich auch noch wichtig, gerade bei Futter. Das ist gut mit intermittierenden Verstärken kombinierbar.

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